So viel Wut – wie ich als Mama eines Kleinkindes machmal verzweifle

“Ist alles eine Phase.” Ich habe das Gefühl, dieser Satz ist das Mantra, was man nach dem Kreißsaal jahrelang runterbeten soll. Was aber tun, wenn beten nicht mehr hilft? Wenn ruhig begleiten und Phasen aussitzen einfach nicht mehr zu machen ist? Wenn das Kind einen nahezu in den Wahnsinn treibt?

Gibt es nicht? Gibt es doch. Diese ach so zuckersüßen kleinen Kinder, dieser Lebenssinn, die Erfüllung, kann eines sehr gut – einen an seine eigenen Grenzen kommen lassen. Ich will jetzt gar nicht erst damit anfangen, wie es ist, wenn das Baby weint, weint, weint. Sich nicht ablegen lässt. Wir haben mit unserer Tochter alles probiert. Zweiter MaxiCosi vor der Waschmaschine, Petziball, Haushaltsgeräusche-App bis zum Anschlag, selbst auf dem Wohnzimmerboden schlafen und dabei die Nonomo wippen. Nachzulesen alles hier. Und ja, natürlich gab es in diesem Hause auch schon heftige Trotzphasen. Ich weiß noch, wie ich überlegte, ob ich mir für die 400 Meter Fußweg vom Supermarkt nach Hause ein Taxi bestellen könnte, denn die 2,5-jährige lag schreiend auf dem Parkplatzboden und ich hatte noch das Baby dabei. Geld und gute Worte halfen nicht sie nach Hause zu bringen…

Schlafmangel ließ mich hier schon völlig blöd werden, so dass ich nicht einmal mehr Zahlen schreiben konnte. Ach, seien wir ehrlich: Der Schlafmangel hat mich fertig gemacht. Kaffee ist mein Anker geworden. Kaffee wärmt, Kaffee ist Trost. Und ich warte immer noch darauf, dass die Kinderwagenhersteller endlich unten einen Mamaablage machen. Ich sehe nämlich Jahre vor meinem inneren Augen entlangziehen, in denen ich wie ein Zombie den Kinderwagen schob.

Ja, eigentlich bin ich eine erprobte Mutter, glaube ich. Ich weiß, was es heißt, was in der Jobbeschreibung von Eltern steht: Stressresistent, auch in anspruchsvollen Situationen einen kühlen Kopf bewahren, immer den Überblick behalten und ein verantwortungsvoller Umgang miteinander.

Aber irgendwie habe ich nicht damit gerechnet, dass mich etwas sooo wütend machen kann. Vor Wut verzweifelt würde ich sagen. Das gilt hier nämlich gerade für beide. Für meinen Sohn, gerade 3 geworden, und für mich. Gott sei Dank verblasst irgendwann die Erinnerung an solche Phasen. Gott sei Dank. Ich glaube, alles andere würde die Beziehung zueinander dann auch wirklich belasten.

Ich, als Familienblogger, kann es hier aber nachlesen. Ein Auszug aus einem Artikel als meine Tochter gut 2,5 Jahre alt war.

“Leute, die keine Kinder haben, werden schockiert sein, Eltern mich wahrscheinlich verstehen: Leben mit Kindern heißt vor allen Dingen seine Aggressionen im Zaum zu halten. Selten in meinem vorherigen Leben hätte ich so Lust gehabt einfach mal auszuflippen, sorry auszurasten, rumzuschreien, jemanden anzuschreien, jemanden mal zu packen und zu schütteln und zu sagen: Sorry, ABER DAS GEHT SO NICHT!!!!! STOPP!!!!!

Und noch nie im meinem vorherigen Leben habe ich mich so ohnmächtig gefühlt, hilflos sozusagen. Denn ich flippe nicht aus (meistens zumindest), auch Ausrasten im eigentlichen Sinne ist eher selten, Rumschreien ok, manchmal, Anschreien aber nicht und auch Packen und Schütteln gehört hier nicht zur Erziehung. Das hat zur Folge, dass Elternschaft hier in manchen Teilen eine Form des Aushaltens ist.”

Aus 35 Cent für ein bisschen Frieden, ein bisschen Sonne – Kampf den Kassensüßigkeiten

Heute würde ich ihr die Scheißsüßigkeitten übrigens einfach geben. Mittlerweile bin ich der Meinung, man (oder Mama) muss auch nicht jeden Kampf ausfechten: Manche Erziehungsgrundsätze sind auch der Gesellschaft geschuldet und nicht immer sinnhaft. Eine Süßigkeit an der Kasse ist, glaube ich, auch nicht der Start in eine Verbrecherkarriere. Damals wollte ich mich durchsetzen. Heute sähe ich das anders. Aber Hand auf Herz:

Drei Jahre später bin ich entweder nicht mehr so stressresistent oder ehrlicher zu mir: Mein Sohn bringt mich in manchen Situationen zur Weißglut. Ich würde ihn am liebsten fesseln und knebeln, aber ich glaube, das würde ich noch nicht mal hinbekommen. So wehrt er sich mit Händen und Füßen. Er lässt sich nicht im Auto anschnallen, er lässt sich nicht die Zähne putzen (weil in seinen Augen die Zahnpaste auf der falschen Bürste ist), er will nicht, dass wir ohne ihn frühstücken, er will aber auch nicht runterkommen. Er will eine kurze Hose anziehen, aber länger als die, die er anhat. Dann will er doch eine lange Hose anziehen, aber nicht die, sondern eine Leggins. Er will unter Tränen, dass ich zu ihm hoch komme (er kommt selbstverständlich nicht selbst) und wenn ich oben bin, soll ich wieder weg gehen. “Nein, Nein , NEEEEEIIIINNNN!!!!” kann er teilweise bis hin zu 60 Minuten durchziehen. Neulich hatten wir 1,5 Stunden TILT (Tilt is a poker term for a state of mental or emotional confusion or frustration in which a player adopts a less than optimal strategy, usually resulting in the player becoming over-aggressive. Quelle Wikipedia)

Was ich in diesen Situationen mache? Ja, ich versuche ruhig zu bleiben. Ja, ich versuche es auszuhalten. Ja, ich versuche ihn zu begleiten. Aber ehrlich: Ich kann auch irgendwann nicht mehr. Und ja, ich habe auch schon hier gesessen und geheult. Ob ich eine Lösung habe? Nein. Aber ich versuche eine zu finden. Durch offene Gespräche mit dem Thema. Durch auch mal die Reißleine ziehen. Ja, hier musste der Vater auch schon mal nach Hause kommen, einfach aus Selbstschutz. Weil ich raus musste aus der Situation. Ich habe auch mit der Nachbarin gesprochen. Ja, ich muss mich manchmal aus der Situation ziehen, sonst würde ich wohl wirklich mal ausflippen. Ich suche das Gespräch mit der Erzieherin. Mit anderen Eltern. Dabei merke ich: Ich bin nicht allein. Es geht eigentlich den meisten so wie mir. Irgendwie steuern wir das Schiff aus diesem Unwetter wohl wieder raus. Ja, die meisten Zeiten als Eltern sind toll, aber es gibt eben auch andere. Über die muss man auch erzählen. Das ist wichtig.

Ich habe übrigens zwei Buchempfehlungen für euch. Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn: Der entspannte Weg durch Trotzphasen hat mir schon viel geholfen. Was glaube ich auch ziemlich toll ist ist, Grenzen, Nähe, Respekt: Auf dem Weg zur kompetenten Eltern-Kind-Beziehung oder Nein aus Liebe: Klare Eltern – starke Kinder von Jesper Juul. Die werde ich jetzt auf jeden Fall mit in den Urlaub nehmen. Und wenn nix mehr geht: Mami braucht ‘nen Drink: Tagebuch einer erschöpften Mutter. Da gehen die Kids zwar schon in die Schule, aber hey: Ist alles nur eine Phase. Kommen halt nur noch mehrere :-)


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