Eigentlich dachte ich ja, ich wäre darüber hinweg: das Thema mit den Selbstzweifeln…
Aber doch, ich erwische mich immer wieder dabei, dass sie noch da sind. Nur eben anders. Ich glaube, es fängt meist damit an, wenn du selber lernen musst zu schwimmen. Weg von der Gruppe, als Individuum. Bei mir im Studium, als ich für einige Monate nach Südafrika und Australien gegangen bin. Hört sich traumhaft an? Ja, war es in vielen Teilen bestimmt auch. Aber da gab es auch ganz, ganz viele Tränen. Weg von der Gruppe der Studienmädels, auf einmal auf sich allein gestellt, ist aus der coolen Sarah in Südafrika jemand geworden, der schlimmes Heimweh hatte. Sich nicht so ganz wohl gefühlt hat, weil ich immer dachte, mein Englisch wäre viel zu schlecht. Der Selbstzweifel hatte, dass ich keinen richtigen Beitrag leisten konnte. Nach Südafrika bin ich direkt nach Australien geflogen und ich sage euch eins: am letzten Abend in Südafrika habe ich gedacht Scheiße, was machst du hier eigentlich? Warum geht dein Flieger morgen nach Sydney und nicht nach Hause? Übrigens haben sich diese Zweifel in Australien nicht so einfach in Luft aufgelöst. Ich dachte in meinem Volontariat wäre ich die letzte Nulpe, meine WG war auf deutsch gesagt beschissen und besonders habe ich den Zeitunterschied verflucht, weil der Freund, heute übrigens mein Mann, oft nicht erreichbar war, damit ich mal eben den Frust ablassen konnte. Im Nachhinein betrachtet waren diese Monate im Ausland toll. Haben mich bestärkt und haben mich mit viel breiterer Brust ins Berufsleben starten lassen. Schließlich hatte ich was vorzuweisen: einige Monate im Ausland.
On the job kam dann die nächste große Station in Sachen – ich bin einfach nicht so doll. Marketing, mein Metier, hat ja sehr viel mit präsentieren zu tun – und wer schon mal einer Gruppe männlicher Vertriebsmitarbeiter mittleren Alters zum Frass vorgeworfen wurde, der weiß, was ich meine. Nach einem Auftritt auf der Vertriebstagung gehst du da als Jungspund, weiblich, mit blonden Haaren, nicht unbedingt raus und klopfst dir auf die Schulter. Nö, da biste froh, wenn du erhobenen Hauptes den Kampfplatz verlässt. Dann machst du das ein paar Jahre und nimmst auch das ein oder andere Training mit und kannst dich dann hinstellen mit dem Gefühl: Ich hab was vorzuweisen. Ich habe einige Jahre Berufserfahrung, bin mittlerweile um die 30, verheiratet, ein Kind. Ist ja was!
Ja, by the way bin ich ja auch noch Mama. Nun trage ich seit gut drei Jahren diesen Titel und der lässt dich die Zweifel nicht mehr am Feierabend abgeben. Mama biste nämlich 24/7 und andere Mütter sind die härtesten Kritiker, die ich je kennengelernt habe. Und von denen darfst du dir so einiges anhören. Am allerschlimmsten sind die sich selbst bezeichneten erfahrenen Mütter. Die dir frei nach dem Motto bei mir war das so, bei meinem ersten Kind, jetzt, wo du selber Mutter bist, bla, bla, bla immer wieder versuchen einen Floh ins Ohr zu setzen. Dir die Mütter-Bibel hoch und runter beten und du dich danach wirklich selbst fragst: Mach ich das richtig? Mache ich alles falsch? Verwöhne ich mein Kind, wenn ich es trage? Schläft es nur nicht, weil ich ihm ja auch immer die Brust gebe? Warum fange ich sooo früh mit Beikost an? Verwehre ich ihm etwas, wenn ich es nicht immer sofort auf den Arm nehme? Sollte es viel länger im Elternschlafzimmer schlafen oder viel kürzer?
Aber auch darüber kommst du hinweg. Ich spätestens bei Kind Nr. 2. Ich weiß, dass ich öffentliche Ansammlungen mit einem Potpourri von Müttermeinungen gern meide um mein Kind zu GENIESSEN. Das gelingt mir sehr gut. Ja, es gibt sie immer noch, die Mamas, die mir ihre Meinung ausdrücken wollen. Aber ich lasse sie reden. Versuche ein Mhmmm als Antwort zu geben. Um mich nicht auf kraftraubende, ins Nichts führende Diskussionen einzulassen. Ich habe da was vorzuweisen. Habe zwei Bomben-Kinder und für die bin ich eh die beste Mama, die sie sich vorstellen können.
Also alles gut? Erste Zweifel des Erwachsenwerdens überstanden? Berufliche Zweifel weggesteckt und auch als Mama mit sich im Reinen? Ist sie nun da, die coole Sarah? Über alle Zweifel erhaben? Nö, ist sie nicht. Gerade kürzlich gab es wieder so einen Tag. Umgeben von tollen Mamas, die beruflich weit erfolgreicher sind als ich. Ein Tag, an dem auch ich abends auf dem Sofa sitze und sage: Scheiße. Ich fühle mich unwohl in meiner Haut, denke an all das, was ich nicht gemacht habe, nicht gesagt habe. Denke über vertane Chancen nach und bin unglücklich. Stelle mich in Zweifel. In solchen Situationen fällt es mir sehr schwer, den Blickwinkel zu ändern. Die Dinge von einer andern Seite zu betrachten. Und gerade das ist die große Scheiße.
Die größten Kritiker, die wir haben, sind doch wir selbst. Wir geben uns kein konstruktives Feedback, sondern erliegen in Totschlagargumenten. Wir motivieren uns nicht selbst, sondern geben uns lieber noch ‘ne Schippe. Wir sehen nicht das Erreichte, sondern das noch nicht Erreichte oder schlimmer noch: reden uns ein, was wir nie erreichen werden. Wir sind uns selbst so harte Kritiker, dass wir uns selbst ausbremsen ohne es zu merken.
Mitarbeiter motiviert man ja durch Lob für die eigene Arbeit. Für die erbrachten Leistungen. Stellt die positiven Dinge voran. Mein Unternehmen hier, ich und meine Familie, funktioniert nur, wenn ich motiviert bin hier einen guten Job zu machen.
Also, ich glaube, wir sollten mal bei uns selbst anfangen. Was war heute eigentlich gut? Was habe ich für Leistungen erbracht? Und wenn ich mich das so frage, kann ich sagen: eine ganze Menge!