Mein lieber Sohn, heute vor einem Jahr begann sie: eine ganz, ganz große Liebe, eine so innige und immer bleibende Verbindung. Sie begann mit dem Moment, als ich zum Ende einer schweren Geburt dich direkt angesprochen habe. Laut geschrien habe, dass wir beide das schaffen. Wir beide!
Und da warst du da. Auf dieser Welt, in meinen Armen. Und gleich habe ich mich mit dir ganz sicher gefühlt. Kein Zweifel, keine Unsicherheit, völliges Vertrauen, totales Selbstverständnis. Das alles gut ist. Gut mit uns beiden. Die ersten Stunden in deinem Leben hast du ziemlich gemotzt. Und ich habe gedacht was für einen ganz andere Person das doch ist, als ich sie mir vorgestellt habe. Die erste Nacht haben wir nur nebeneinander gelegen, ganz nah. Du bist angekommen. Das Weinen der erste Stunden war schnell vergessen und du warst, was du geblieben bist: ein unheimlich zufriedenes Baby. Ich wollte dich nicht hergeben, dich nicht ins Anstellbettchen legen. Dich ganz nah bei mir haben. So siehst du das bis heute. Spätestens wenn ich ins Bett komme, ist die Nacht in deinem Bett für dich abgebrochen. Du schläfst wie selbstverständlich an deinem Platz – in der Mitte. Du duldest noch nicht mal, wenn ich mich mit dem Rücken zu dir drehe. Nein, die Mama muss ganz nah sein. Ganz nah bei dir.
Du bist ein Sonnenschein. Kaum einmal habe ich dich weinen gesehen. Ärgern, ja, dass kannst du dich. Ein Nein führt bei dir aber eher zu Lachen und noch größerem Ansporn Quatsch zu machen. Überhaupt ist Unfug treiben mit deine Lieblingsbeschäftigung. Du räumst aus, ziehst auseinander und freust dich dabei fast diebisch. Als Zweitgeborener gehst du in keinen Fall unter, sondern machst dich lautstark bemerkbar. Was deine Schwester hat, das willst du auch haben. Sofort. Auch wenn es nicht sofort etwas zu essen gibt, beim leichtem Anflug von Hunger lässt du hier die Wände wackeln. Du kannst einstecken, hast Durchhaltevermögen und machst alles mit. Auch wenn du mal wieder für deinen Schwester der Patient sein musst und dieser sich natürlich hinlegen muss. Ob er nun will oder nicht. Du krabbelst in Windeseile durch die Wohnung, im Haus die Treppen rauf und wenn du was geschafft hast jauchzt du laut, drehst dich um uns schaust mit freudestrahlendem Gesicht in die Welt.
Du bist ein so großes Glück. Für uns Eltern, für deine Schwester, die dich wie wir abgöttisch liebt. Das erste Jahr mit dir war einfach wunderschön. Ich fühle mich dir so nah, habe dich geboren, dich gestillt, getröstest, angefeuert und dich ganz viel in den Arm genommen. Denn du brauchst ganz viel Nähe. Lässt dich gerne fest in den Arm nehmen, schmusen und küssen. Manchmal willst du mir so nah sein, dass ich fast den Eindruck habe, du willst wieder in meinem Bauch verschwinden. Dass wir wieder eins sind. Aber eins bleiben wir mein Sohn, auch wenn du immer weiter deine eigenen Schritte machen wirst. Ich werde dich begleiten, deine Hand halten, deine Tränen trocknen, für dich da sein. Dir Mut geben, dein Zutrauen in dich stärken.
Heute ist mein Baby ein Jahr alt. Ich bin glücklich. Glücklich über meinen Sohn und auch das Geschenk dieses ersten, wunderschönen Jahres. Aber ich bin auch ein wenig wehmütig. Denn heute weiß ich wieder, wie wahr der Spruch ist, den wir für deinen Geburtskarte ausgesucht haben: eine Zeitlang werden werden wir deine Hand halten, dein Herz aber ein Leben lang. Ein klein wenig von der Zeit, in der ich deine Hand halte, ist nun vorbei. Aber dein Herz halte ich ein Leben lang und das tröstet über die Wehmut hinweg. Mache deine Schritte mein Sohn – ich bin dein Fallschirm.
Vor einem Jahr habe ich einen Brief an meinen neugeborenen Sohn geschrieben und es ist einfach schön ihn heute zu lesen.