Rüpelhafte Rotzblagen – warum ich ein bisschen Erziehung nicht soooo schlecht finde

Heute hatte ich ein Erlebnis der dritten Art: ich bin im Supermarkt fast von einem Einkaufswagen mit Höchstgeschwindigkeit überfahren worden. Echt jetzt. Am Steuer: ein, sagen wir mal vorsichtig, recht extrovertierter 5-Jähriger, der seinen Drogeriemarktbesuch wohl gerne ein bisschen am Limit hat. Am Limit ist hier wohl das Stichwort: Zwei Jungs, beide schätzungsweise Kindergartenalter, tobten lautstark auf diesen kleinen Kindereinkaufswagen durch den Laden. Und zwar ungefähr so: Rennenderweise mit dem Ding in der Hand Anschwung nehmen, dann bauchlinks draufwerfen, um dann an der Wand vor Kopf gebremst zu werden. Lustig? Fand ich nicht so. Weder der Geräuschpegel noch das Fahren in die Regale. Die Begleitperson? Nicht zu sehen. Fast hatte ich mich ja schon “gefreut”, als sich einer der beiden lang machte, aber auch das aktivierte niemanden. Der Aufschlag an der Wand verleitete die Mutter, die irgendwo im Laden verschwunden war, nur zu einem müden “Aber xy, du kannst doch fahren, dann fahr doch bitte vorsichtig”.

Ähhhhh, WHAT??? Fahr doch bitte vorsichtig? Geht’s noch? Versteht mich nicht falsch, dieses Kind kann sich in seinem Garten, vor seiner Garageneinfahrt gerne den ganzen Nachmittag den Kopf einfahren. In einem Laden, mit einem Wagen, der ihm nicht gehört, in Ware, die noch verkauft werden soll, und ja, wo auch noch andere einkaufen möchten, geht das nicht.

“Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt.” (Kant)

Als ich mich gerade noch vor dem nächsten Wagenrennen auf den Gang retten konnte, habe ich die zwei dann auch mal gefragt, wo ihre Mutter ist. Denn was ihre Kinder vielleicht noch nicht wissen können, weiß sie bestimmt: so ein Verhalten ist wirklich nicht angebracht. Auch nicht von Kindern.

Ja, es gibt einen Aufsichtspflicht. Eine Erziehungspflicht gibt es leider nicht. Versteht mich nicht falsch, jeder erzieht anders. Klar, verstehe ich, kann ich insgesamt auch gut akzeptieren. Kinder sollen auch NEIN sagen lernen, Kinder müssen nicht spuren wie die Soldaten, Kinder müssen nicht aus Angst hören. Kinder sollen nicht klein gemacht werden, sondern groß. Kinder verdienen den gleichen Respekt wie Erwachsenen.

Kinder brauchen aber meiner Meinung nach Grenzen. Klare Grenzen. Ich habe auch zwei Kinder, die gerne am Limit sind. Manchmal auch mal drüber, keine Frage. Aber sie dürfen sich nicht verhalten wie die letzten Henker. Die Auslagen der Buchläden sind voll davon, wieviel Verständnis wir Erwachsenen unseren Kinder gegenüber bringen soll. Jedem “Ausflipper”geht eine Erklärung voraus. Darf ich was sagen: Nein, es muss nicht alles ausdiskutiert werden. Es gibt Regeln innerhalb einer Familie, an die muss sich auch gehalten werden. Denn nur wer dieses in seiner Kernfamilie lernt, der kann auch Regeln außerhalb dieser Familie akzeptieren.

Zurück zum letzten Henker. Uns gegenüber darf sich also nicht so verhalten werden und schon gar nicht anderen gegenüber. Denn man erzieht seine Kinder vor allem für eines: Damit sie selbst in unserer Welt und ihren sozialen Strukturen zurecht kommen. In dieser Welt ist es wichtig, ein gutes Miteinander zu haben und das lernt man leider nicht, indem man völlig grenzenlos unterwegs ist.

“Die Freiheit besteht darin, daß man alles das tun kann, was einem anderen nicht schadet.”

Jetzt zu Beginn der Schule wird mir sehr schön gezeigt, wo Grenzenlosigkeit hinführen kann und ich will ehrlich sein: Ich beneide keine GrundschullehrerIn. Gar nicht. Wenn andere von Anpassungsschwierigkeiten sprechen, spreche ich von absoluter Respektlosigkeit und das geht für mich gar nicht. Es geht mir nicht darum, dass Kinder Angst vor Erwachsenen haben sollen, ganz und gar nicht. Aber ein respektvoller Umgang miteinander, das ist etwas anderes als in der Schulklasse auf den Tischen rumzuspringen.

Ich kann mich noch sehr, sehr genau daran erinnern, als ich als Kind einmal meine Mutter beleidigt habe. Mein Opa hat mich SOFORT ins Bett geschickt und da blieb ich bis zum nächsten Morgen. Ja, früher war weiß Gott nicht alles besser, aber Regeln, die gibt es heute noch und damit müssen sich vor allem wir Eltern auseinander setzen. Freiheiten sind gut, aber können auch nur genossen werden, mit dem Wissen umgebener Grenzen dieser Freiheiten. Man selbst ist nicht wichtiger als das Gegenüber und jeder hat seinen Teil zu einer funktionierenden Gesellschaft beizutragen.


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