Und natürlich schon gar nicht Ballett. Würde man manchen Meinungen glauben schenken, wäre gerade Letzteres wohl ein totsicherer Garant dafür, dass der Junge schwul wird. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Zeit, in der unser Sohn eigentlich fast immer Röcke tragen wollte. Er durfte die rosa Röcke der Schwester erben, er durfte sich sogar eigene im Laden aussuchen. Diesen Tüll-Einhorn-Rock mit Wendepailletten haben wir zum Beispiel in Australien gekauft. Jeder durfte sich in der Kinderabteilung etwas aussuchen und unser 2,5-jähriger Sohn hatte sich nun einmal dafür entschieden. Durfte er auch. Auch unsere Familien, sprich Oma und Opa, haben ihn immer machen lassen. Meine Mama, die selbst fünf Mädels großgezogen hat, hat immer ein bisschen gelacht und gesagt “Ach was, schon wieder im Rock. Süß sieht’s aus!”. Auch der Kindergarten hat so reagiert, wie man es sich vorstellt.
Moment, wie “man” es sich vorstellt? Nein, wohl eher so, wie wir es uns vorstellen. Ich habe im ersten Absatz bewusst häufig das Wort “durfte” verwendet. Leider erlebe ich es im Alltag nämlich immer wieder, dass nicht alle Jungs das Glück haben, so sein zu dürfen, wie sie möchten. Meine Bloggerkollegin Jessy erzählte heute in ihrer Instagram Story davon, wie ein Junge eben nicht durfte. Ein dreijähriger Junge hat mit ihrer Tochter gespielt und ist im Prinzessinenkleid die Treppe runter gekommen. Er wurde angemeckert und sollte wieder hochgehen. “Jungs tragen ja keine Prinzessinnenkleider!”
Leider ist dies auch in unserem Alltag keine Ausnahme. Ich weiß noch, wie mich ernsthaft in unserer Anfangszeit hier in Münster eine andere Kita-Mama fragte, was Stefan denn bitte dazu sagt. Also, dass CJ einen Rock trägt. Ihr Mann würde das nicht mitmachen. Im Übrigen, nein, es handelte sich hierbei um keine Frau, die ein total klassisches Rollenbild lebte, sprich: schön hinterm Herd in rosa Plüschpantoffeln. Oder mit einem pöbelnden, bierbäuchigen Schwulenhasser verheiratet war (obgleich, letztes weiß ich natürlich nicht). Nein, es handelte sich um ein junges Paar, beide studiert, beruflich erfolgreich und wie man so meinen würde, emanzipiert, aufgeklärt und open-minded. Sind die Leute aber eben doch nicht immer.
Ich habe auch schon erlebt, wie in Haushalte keine Kinderküchen einziehen. Das sei schließlich was für Mädchen. Ich weiß auch nicht, wie das läuft, wenn dann die kleine Schwester einzieht. Wird die Küche dann unter Strom gesetzt? Aber soweit muss es ja wahrscheinlich gar nicht gehen. Ich erinnere mich noch daran, wie ich in einer Instastory zeigte, dass unser Sohn sich pinke Crocs ausgesucht hat. Ganz zielstrebig und ja, die Blauen standen auch zur Wahl. Da ich so viele Nachrichten dazu bekommen habe, habe ich ein Bild mit uns Dreien, sprich mir und meinen beiden Kinder, alle im Rock veröffentlicht. Aufgenommen übrigens an einem ganz normalen Markttag-Samstag, wenn hier die Stadt bumsvoll ist. Es gab überwiegend positive Reaktionen, aber leider auch andere. Ich habe Nachrichten bekommen, wie ich das meinem Sohn denn antun könnte – also so ein Bild zu veröffentlichen.
Liebe Leute, da draußen! Solange sich in unseren Köpfen nicht irgendwas ändert, wir uns nicht frei machen von überholten Gesetzen und Aberglauben, so lange wird sich gar nichts wirklich ändern. Falls mein Sohn sich also mal dazu entscheiden sollte, mit seinem Lebensgefährten auf Malle zu leben und statt Kinder zu kriegen ein Heim für Straßenhunde aufmachen sollte, dann liegt das bestimmt nicht am Einhornrock und den Ballettstunden… Oder es läuft sogar ganz anders: Er könnte ein völlig toleranter Mann werden, der sich auf Augenhöhe mit seiner Frau sieht. Oder er kriegt doch Kinder – mit seinem Mann. Genauso wie Papapi. Wer weiß es schon, die Hauptsache für uns als Eltern ist: Er wird glücklich! Und muss sich nicht für andere verstellen!
Vielleicht trägt seine Frau ja sogar nur Hosen, ist Leiterin auf einer Baustelle, isst am liebsten derbe Mettbrötchen und trägt stolz und ungeschminkt einen Kurzhaarschnitt. Vielleicht. Also, die Mädchendarstellung kommt auf jeden Fall noch. Bin ja auch Mädchenmama und selbst ein Mädchen – obgleich man beides in meiner Kindergartenzeit vielleicht nicht vermutet hätte…